Reisebericht aus Uganda

Uganda? Das stand da in der WhatsApp-Nachricht von skate-aid. Ich wurde also gerade gefragt, ob ich kurzfristig die Jungs und Mädels von skate-aid, inklusive Titus, nach Uganda begleiten wolle, um das Ganze fotografisch zu dokumentieren. Fotografieren + Reisen + Hilfsprojekt? Da muss ich nicht lange überlegen. Nach zwei hektischen Wochen aufgrund von Corona, gestrichenen Flügen und mehreren Impfterminen, war es dann so weit. Alles, was ich bisher wusste war, dass Kampala die Hauptstadt ist und das Land nicht grade reich. Aber da ich den „Bowlbau“ schon auf Instagram verfolgt hatte, wusste ich zumindest ein wenig, wie es vor Ort aussehen würde und da wir die ersten Tage zu dritt reisen würden, mit Toby und Maik, die beide schon mal da waren, machte ich mir auch nicht wirklich Sorgen. Meine neuen Reisefreunde und langjährigen skate-aid-Members waren mir sofort sympathisch. So verbrachten wir die ersten Tage damit, Kitintale, dem Township, in dem der Skatepark steht, zu erkunden. Neben neuem Stuff für die Kids gab es jede Menge Gespräche, Fotosessions und natürlich unsagbar viele Eindrücke. Für mich, mit bisher eher mäßigen Afrikaerfahrungen, gab es natürlich die volle Breitseite. Man kann eigentlich nicht in Worte fassen, wie es dort ist. Im Township selbst, mit seinen kaum befahrbaren Straßen, herrscht eine nicht übersehbare Armut, gepaart mit einem emsigen, hektischen Treiben. Oft riecht es verbrannt und hier und da nach Müll oder nach verbranntem Müll. Es gibt halt keine Müllabfuhr hier. Überall in den kleinen verwinkelten Straßen wird gekocht und es tollen lachende, spielende Kinder umher. Je näher man dem Skatepark kommt, umso mehr werden es. Die Atmosphäre rund um den Park finde ich ganz besonders. Man merkt sofort, dass dort etwas großartiges entstanden ist und eine gewisse Euphorie herrscht. Natürlich im Mix mit afrikanischer Gelassenheit. Am Eingang vom Park wohnt Jack mit seiner Familie. Er ist der einheimische skate-aid Projekt Manager und ursprünglicher Gründer des Parks und hat selbst 2005 die erste Rampe dort gebaut hat. Jack ist mehr als das. Er ist Vorsitzender der Uganda Skateboard Union und man könnte ihn schon fast als „Bürgermeister“ von Kitintale bezeichnen. Sein Wort hat aufgrund seines Engagements hier definitiv Gewicht. Jeder kennt ihn und mit ihm an seiner Seite fühlt man sich immer sicher. Alle hier sind wirklich sehr freundlich.
Die Älteren kümmern sich um die jüngeren Kids, sowohl im Park als auch abseits davon. Das ganze Areal um den Park herum hat sich zu einer Art großem Kulturzentrum entwickelt und wird sich auch noch weiterentwickeln. Es gibt einen kleinen Getränkeshop, eine kleine „Lehrwerkstatt“, in der die Kids lernen können, Becher aus Bambus herzustellen. Ein großartiger Platz. Eine Oase, in der die Kids ungestört gemeinsam skateboarden und abhängen können. Ich fühle mich hier absolut willkommen und gut aufgehoben, auch wenn es nachts für mich ohne Begleitung nicht unbedingt sicher ist. Aber mit Jack und den anderen Jungs ist alles bestens. So haben wir dort eine wirklich gute Zeit. Drei Tage nach unserer Ankunft trifft dann Gabu ein. Er ist der Project Koordinator für skate-aid und ist noch dazu ein sehr guter Skateboarder. Er hat mit einem internationalen Bauteam und den Locals zusammen über die letzten zwei Monate den neuen Bowl gebaut. Jeder hier mag Gabu, weil es dieser Typ Mensch ist, den du mitten über Afrika aus dem Flugzeug werfen kannst und er überlebt. Nicht nur das, er findet wahrscheinlich auch sofort Anschluss. Sprich, er ist definitiv der richtige Mann für den Job. Bei einem abendlichen Getränk stellen wir fest, dass wir gemeinsame Bekannte haben, da er mal, nicht weit von mir, in Chemnitz gewohnt hat. Die Welt ist wirklich ein Dorf manchmal. Die große Einweihungsparty, die in drei Tagen stattfinden soll, rückt näher, erhält jedoch durch Corona ein Rückschlag. Der Präsident erlässt am gleichen Tag die Auflagen, das nur kleine Feiern mit bis zu 30 Menschen im Freien erlaubt sind. Im Normalfall wäre der Park komplett bevölkert gewesen, inklusive Musik, Graffitikünstlern und einem Programm. Na, was soll´s. Es geht ja auch eher um die Eröffnung und die Kids - nicht um die Party. Am nächsten Tag treffen dann Stefan und Julia, ein Filmteam von Krolopp & Gerst, ein und auch Ralf Maier von Betonlandschaften, der den ganzen Bowl geplant hat. Auch sie genießen die Atmosphäre im Park sehr, schießen Fotos und filmen die ersten Sequenzen. Etwas später am Nachmittag trifft dann Titus ein und unsere Crew ist damit komplett. Titus‘ Eintreffen im Park wird euphorisch gefeiert. Jack‘s Kinder empfangen ihn als erstes und mit großer Herzlichkeit. Auch die anderen Bewohner, die ihn schon von früheren Besuchen kennen, empfangen Titus strahlend. Jack zeigt ihm alles Neue im und um den Park herum. Wir besuchen Jack‘s altes Haus und Headoffice, in dem Titus 2012 untergebracht war. Erst jetzt bei den alten Geschichten wird mir bewusst, was hier geschaffen wurde und welche Tragweite es hat. Und das durch Skateboarding! Unfassbar!  Zurück im Park werden dann die Vorbereitungen für die Eröffnung „light“ besprochen. Es wird eben nur eine kleine offizielle Eröffnungsfeier geben und dann sollen die Kids einfach skaten. Am Opening-Tag sind neben einem Polizisten, der die Einhaltung der Regeln überwacht auch einige lokale Zeitungen und Medienteams dabei. Nach Interviews und den Reden von Titus, Jack und Gabu, wird der Bowl unter dem Beifall der Kids offiziell eröffnet. Ich selbst schieße wieder unzählige Fotos und genieße diese ganzen Momente. Kurz nach Einbruch der Dämmerung ziehe ich mich allein auf das Dach von Jacks Haus zurück um das alles nochmal auf mich wirken zu lassen. Was für eine Woche! So viele Eindrücke und so viel Herzlichkeit. Ich kann es nicht wirklich in Worten und in so komprimierter Form wiedergeben. Aber was ich da erleben durfte, ist unbeschreiblich. Neben dem ganzen Elend und der Armut habe ich dort auch viel Lachen und Zuversicht erlebt. Was in Kitintale entstanden und gewachsen ist, ist beispielhaft dafür, was Skateboarding alles bewirken kann. Dort ist weit mehr entstanden als ein nur ein Skatepark. Es ist ein Treffpunkt, ein Ort an dem Kids wirklich Kids sein können und durch Ehrgeiz auch etwas schaffen können. Ich finde das einfach beeindruckend.
Danke

Text von Jörg Baumgarten, Fotograf in Kampala, Uganda, Juni 2021