Passion builds Poetry
Das erste Mal in meinem Leben bekomme ich Einblick in die Poesie des Skateboardens. Skaten heißt unmögliche Träume möglich machen, das ist es, was Jack aus Uganda mir mitgibt. Er ist mittlerweile 40 Jahre alt und kann sich noch genau daran erinnern, als er das erste Skateboard seines Lebens sah. Wie er verzweifelt versucht hat mit dessen Besitzer direkt eine Freundschaft anzufangen. Wie er in Pionierarbeit den ersten Skatepark in Uganda gebaut hat und die Behörden keinen blassen Schimmer hatten, was er da vorhat. Wie er sein erstes Skateboard so oft mit Anderen geteilt hat, bis er selbst kaum noch darauf fahren konnte. Wie Skateboarding ihm ermöglicht hat wieder zu träumen. Er selbst ist im Ghetto aufgewachsen und kannte keine Träume und Perspektiven. Die Leidenschaft zum Skaten allerdings hat ihm viele Türen geöffnet und mittlerweile hat er einige Projekte weltweit besuchen können. Er erzählt gerne von einer Begegnung mit einem anderen Skater an seiner ersten eigenen Halfpipe. Der Besuch kam erst abends sehr spät und so bauten sie rund um die Pipe viele Kerzen auf, damit die ganze Nacht noch geskatet werden konnte.
Als wir mit dem Auto durch die Stadt fahren, lausche ich den Gesprächen der Skater. Wie sie diesen und jenen Platz bewerten und wo sie gern hinfahren. Wie sehr sie das Geräusch der Wheels lieben, wenn es sich auf diesem oder jenem Untergrund verändert. Dass sie manchmal alles um sich herum vergessen und nur dieses Geräusch in sich aufnehmen.
Lernen heißt fallen und wieder aufstehen, das scheint für mich das Mantra des Skateboardens zu sein. Beim Skaten lernt man, dass das Hinfallen kein Weltuntergang ist. Man fällt eben und steht wieder auf. In einem Skatepark ist man eine große Familie, es gibt hier keine „Gangs“. Egal ob man schüchtern oder laut ist, das Skateboard verbindet. Große und kleine Skater können über diesen Weg echte Freunde finden. Tobi erzählt mir aus Südafrika, dass der Skatepark dort für die Straßenkinder der einzige sichere Ort ist, wo sie nicht ständig aufpassen müssen, damit ihnen niemand ihre Schuhe oder ihr Essen stiehlt.
Es geht beim Skateboarden auch darum eigene Entscheidungen zu treffen. Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen im Leben bedeutet skaten Freiheit und Eigenständigkeit. In der Schule wird uns von außen auferlegt etwas lernen zu müssen. Auch im Job müssen wir uns oft fügen. Aber auf dem Board entscheiden wir was wir machen. JUST DO IT. Durch die sukzessive Anspannung wird die Konzentration gefördert und wie die meisten Sportarten macht es auch den Kopf frei. Die Leidenschaft fürs Skaten hat hier in der Crew alle in unterschiedlicher Art und Weise positiv verändert. Gerade die Erfahrung nach dem Hinfallen wieder aufzustehen und diesen Prozess als Übung und wichtige Erfahrung anzusehen und nicht als Scheitern, hat vielen Selbstvertrauen und Stärke geschenkt ihre anderen Probleme im Leben besser in den Griff zu bekommen.
Im Gespräch mit den Lehrern der Schule bin ich überrascht wie positiv auch sie über das Skaten sprechen. Wie die Kids davon schwärmen und gelernt haben ihre Angst zu überwinden. Wie mutig einzelne Kinder geworden sind und sich ihr Charakterbild gestärkt hat. Dass die Kids nicht nur nach einem Sturz aufstehen, sondern auch für ihre Meinung. Auch die Lehrer der Schulen motivieren ihre Kinder nicht aufzugeben und weiter zu üben. Es ist eine wichtige Erfahrung im Leben auch mal etwas zu riskieren. Im Skatepark wird das jeden Tag geübt. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Community der Skateboarder friedensbildend ist. Sie bringt Menschen aus unterschiedlichen Ländern und sozialen Schichten zusammen und lebt durch ihre Aufgeschlossenheit.
Ich erfahre aber auch von der hohen Jugend-Arbeitslosigkeit hier in Namibia, die bei 50% liegt und dass die Löhne selten zum Leben reichen. Daher ist die Kriminalität hoch und schwer in den Griff zu bekommen. Die anhaltende Korruption und der latente Rassismus erschweren zusätzlich das soziale Miteinander.
Am vorletzten Tag habe ich eine Tour durch verschiedene Slums vor. Maria, eine politische Aktivistin, lädt mich dort zu ihren Freunden ein und erklärt mir warum es so schwer ist aus der Armut herauszukommen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und Frauen arbeiten sowieso selten.
Wir sitzen gemeinsam Samstagmorgen um 10 Uhr zwischen einigen bereits angetrunkenen Bewohnern des Katatura Townships in einer Wellblechhütten-Kneipe. Für mich persönlich sind solche Begegnungen die interessantesten auf meinen Reisen für Hilfsorganisationen. Wir quatschen u.a. über das bierähnliche Gebräu aus Hirse und Zucker, das die meisten trinken, die kein Geld für Bier haben. Alkoholismus ist ein großes Problem hier in Namibia. Zwei Männer sitzen vor mir und stellen mir viele Fragen über Deutschland, während ich sie darüber ausquetsche wie man 10 Kinder von jeweils unterschiedlichen Frauen haben kann, ohne sich um diese zu kümmern oder die Frauen finanziell zu unterstützen. Maria fragt die beiden ob sie keine Angst vor HIV haben. Einer von beiden sagt nein, er habe es nämlich bereits. Zuhause würde ich womöglich niemand fragen, den ich soeben in einer Kneipe kennen gelernt habe warum er kein Kondom benutzt. Aber auf Reisen bin ich häufig sehr direkt, aber wertfrei und ich merke, dass egal wie privat meine Fragen sind, die Menschen sich freuen, wenn ihnen jemand zuhört und man sich für sie interessiert. Für mich persönlich ist es immer wertvoll den Standpunkt zu verändern und das warum zu erfahren.
In manchen der Wellblechhütten liegt illegal Strom, Wasser haben sie aber alle nicht. Es gibt eine Chipkarte für jeden, mit der man für 100 Namibische Dollar (umgerechnet 6 Euro) 25l Wasser an einer Zapfstelle kaufen kann. Ist das Guthaben der Karte leer, kann die Familie kein Wasser mehr ziehen.
Der Teufelskreis der Armut ist dem anderer Länder sehr ähnlich. Kein Geld für Bildung, Jugendliche werden früh Eltern, hohe Arbeitslosigkeit und eine Oberschicht, die von ihren Privilegien vermeintlich wenig abgeben möchte. Fehlendes Wasser wird in Zukunft höchstwahrscheinlich die Probleme verschlimmern. Auch hier in Windhoek ist das Flussbett fast komplett ausgetrocknet. Ein bisschen Wasser finde ich am Stausee, welches aber durch Giftstoffe komplett verseucht ist. Kai vom Schulprojekt erzählt mir, dass Krokodile aus ausgetrockneten Tümpeln schon über die Berge ziehen um etwas Wasser zu finden.
Von all diesen Problemen spürt man im Skatepark nichts. Er wirkt unberührt von den Schwierigkeiten dieses Landes. Man hört die verschiedenen Geräusche der Rollen auf der Oberfläche und ich fotografiere die Silhouetten der Skater im Sonnenuntergang. Er scheint ein sicherer Rückzugsort, in der es darum geht sich mit den Board zu verbinden und den Kopf frei zu bekommen.
Am letzten Abend wird noch geskatet bis der Mond aufgeht. Nach dem Barbecue im Hostel wird gemeinsam ausgelassen gefeiert und ein schöner letzter Tag geht langsam zu Ende.
Als heute Mittag die erste Gruppe abreist ist die Stimmung gedämpft. Keiner will so wirklich nach Hause. Es werden Nummern ausgetauscht und sich verabschiedet. An jeder Tasche klemmt ein Skateboard. Auch ich packe meine Kameratasche jetzt zusammen und klappe den Laptop zu. Neben vielen Fotos nehme ich all die schönen Begegnungen und kleinen Lebensweisheiten mit nach Hause und erneut den Wunsch mehr gute Hilfsprojekte mit meiner Arbeit zu unterstützen. Denn auch das hab ich durch den Aufenthalt hier gelernt. - Go with your Dreams but go! - Just do it!
Text & Fotos Alea Horst
Alea Horst ist eine freiberufliche Fotografin die uns ehrenamtlich auf unserem Trip nach Namibia begleitet. Und hier hat sie Ihre Eindrücke für uns festgehalten.
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