„Ich sitze im Flieger von Frankfurt nach Namibia. Es ist meine erste Reise mit skate-aid nach Afrika und ich bin voller Vorfreude. Vor allem freue ich mich auf die Kids, die in diesem speziellen Projekt vor allem hör- und sehbehindert sind und mit der skate-aid Crew skaten wollen.
Während ich mich im halb gefüllten Flugzeug umsehe, merke ich, wie der ältere Herr neben mir mit mir ein Gespräch beginnen möchte. Er möchte den Grund meiner Reise wissen oder vielmehr mir alles erzählen, was er über Namibia weiß. Ich liebe es, wenn Reisen so beginnen. Man kann natürlich viel lesen vorher, aber wenn einem die Menschen ihre persönliche Sicht auf die Dinge erzählen, ist es für mich irgendwie gehaltvoller. Dreiviertel von Namibia sind in Händen von Weißen, die seit der deutschen Kolonialzeit ihre Großländereien an „ihresgleichen“ weitergeben, erzählt er mir. Es gibt kleine Programme, die seit einiger Zeit auch den Einheimischen den Grunderwerb erleichtern sollen, wie z.B., dass der Staat ein Vorkaufsrecht bekommt, wenn keine Erben gefunden werden. Die weißen Farmer nutzen seither jedoch lieber Verpachtungsverträge ihrer Ländereien, anstatt das Land dem Staat abzutreten. Auch er habe sich auf Anraten von Freunden Land in Namibia gekauft. Auch wenn die Apartheit seit 1991 offiziell in Namibia abgeschafft wurde, so lebt sie anscheinend sukzessiv auf vielen Ebenen weiter.
Im Hostel in Windhoek treffe ich als erstes auf Lisa, die dabei ist ihre Master Arbeit über die Klimaveränderungen hier in Namibia zu schreiben. Die ungewöhnliche Trockenheit der letzten Jahre sorgt für große Wasserknappheit. Auch der Herr aus dem Flugzeug hatte mir erzählt, dass seine Farmerfreunde immer mehr Schwierigkeiten haben, Futter und Wasser für ihre Rinderzucht zu bekommen. In den nächsten Jahren, so Lisas Einschätzung, wird die Lebensmittelknappheit hier zu sehr großen Schwierigkeiten führen. Seit Jahren sind vor allem aber wirtschaftliche Schwierigkeiten Namibias größtes Problem. Neben extremer Armut und hoher Arbeitslosigkeit, erhöht die schwache Wirtschaft die Abhängigkeit von anderen Ländern. Nur wenig wird im Lande selbst hergestellt oder zumindest weiterverarbeitet. In Namibia hört man daher häufig die sehr selbstkritische Einschätzung, die Namibias Problem auf den Punkt bringt: "We produce what we don't consume and we consume what we don't produce!"
Das Besondere an dieser Reise ist auch, dass viele Freiwillige aus unterschiedlichen skate-aid Projekten zusammenkommen um voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen. Die Freiwilligen stehen immer vor verschiedenen Herausforderungen und einige Schwierigkeiten sind nur mit Strategien zu lösen. In dieser Woche sollen alle voneinander lernen und profitieren.
Jonas und Sören sind hier unter anderem auch mit Amet für das Projekt in Namibia verantwortlich. Es läuft mittlerweile recht gut, erzählen sie mir und schwärmen vom auffallend guten Zusammenhalt der Kids untereinander. Jonas erzählt mir von einem blinden Jungen, der vor ein paar Tagen von seinen Freunden sorgsam an den Armen gehalten und auf ein Skateboard gestellt wurde, um auch skaten zu können! Auch die Gehörlosen Kinder helfen sich gegenseitig sehr, wirft Sören ein. Es sei toll zu beobachten, wie sie sich gegenseitig unterstützen und helfen. Alle im Team wollen daran arbeiten ihre Gebärdensprache-Kenntnisse zu verbessern, um besser mit den Kindern kommunizieren und sie umfangreicher unterstützen zu können.
Jonas hatte es anfangs ein wenig unterschätzt, wie wertvoll das Skateboarden tatsächlich für die Kids sein kann, die sich jedes Mal unglaublich freuen, wenn das skate-aid Team im Skatepark ankommt.
Amet ist auch für das Projekt hier in Namibia zuständig. Er wusste von Anfang an, dass er genau in diesem Projekt seinen Freiwilligendienst machen wollte. Irgendwie hatte er es im Gefühl sich ausschließlich hier zu bewerben und ist dankbar, dass er angenommen wurde. Die Arbeit mit den Kindern erfüllt ihn sehr. Er mag den ganzen Arbeitsprozess, von der Vorfreude der Kids beim Eintreffen des Teams, bis zum hin zum Aufräumen. Aber ganz besonders erfüllend sind die Momente, wenn die Kinder extra zu ihm kommen um ihm etwas zeigen, was sie seit Wochen geübt haben und es nun endlich klappt. Er ist dann richtig stolz auf „seine“ Kids.
Je mehr sie mir erzählen, desto größer wird die Vorfreude darauf die Kinder endlich kennen zu lernen. Am Nachmittag ist es dann endlich soweit…wir fahren zum Skatepark.
Die Kids kommen uns schon von weitem entgegen. Besonders Gabu wird von allen herzlich umarmt und begrüßt. Er hatte vor 2 Jahren das Projekt mit aufgebaut und hier gearbeitet. Ganz aufgeregt sprechen die Kinder mit ihm in Gebärdensprache und bilden Trauben um ihn. Die Wiedersehensfreude ist so groß, dass er den ganzen Nachmittag aufgeregte Kinder um sich herum toben hat. Ich bin sehr berührt, während ich ihn mit den Kids beobachte. Kinder vergessen ja eigentlich recht schnell, aber Gabu bedeutet den Kindern ganz offensichtlich so viel, dass er bei ihnen auch nach Jahren so viel Freude hervorruft.
Dankbar dafür, dass die Wolken etwas Schatten auf den Park werfen, wird lange und intensiv geskatet. Die Freiwilligen helfen den Kids natürlich gerne wenn sie es möchten, aber es wird auch sehr viel frei und entspannt geskatet. Ein Teil sitzt immer gechillt an der Seite und schaut zu. Die Kids wechseln sich ab. Es wird gelacht, geübt und ab und zu auch hingefallen, aber dann auch wieder aufgestanden und weitergemacht. Manche Kids sitzen auf den Boards, andere sausen im Stehen in einem Affenzahn an mir vorbei während ich Fotos mache. Alle lieben es, wenn sie mitbekommen, dass ich sie fotografiere. Als dann die Kids zum Essen gerufen werden, machen manche Kinder kurz lange Gesichter, aber alle wissen ja, dass sie auch morgen wieder auf die Boards dürfen.“
Fortsetzung folgt…
Text & Fotos Alea Horst
Alea Horst ist eine freiberufliche Fotografin die uns ehrenamtlich auf unserem Trip nach Namibia begleitet. Und hier hat sie Ihre Eindrücke für uns festgehalten.
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